Bewegung aus einem anderen Blickwinkel sehen – Mehrperspektivität im Sportunterricht

Der Grundstein für einen sportlich aktiven Lebensstil wird in der Schule gelegt. Oder anders gesagt: Wer sich schon in jungen Jahren für Sport begeistert, bleibt es meist ein Leben lang.

Die meisten Menschen verbinden jedoch negative Assoziationen mit dem Sportunterricht: staubige Turnhallen, unmotivierte Sportlehrer und tradierte Sportarten wie Leichtathletik und Turnen. Doch in den letzten Jahren hat sich viel zu Gunsten eines freudvollen Sportkonzepts getan. Ein wichtiger Bestandteil davon ist das Prinzip der Mehrperspektivität.

Mehrperspektivität

Der Sportunterricht grenzt sich zu anderen Unterrichtsfächern mit seiner unmittelbaren Verbindung von körperlichen und geistigen Erfahrungen ab. Er gewinnt dadurch an enormer Bedeutung im Sinne einer ganzheitlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Das höchste Ziel besteht darin, die Schülerinnen und Schüler zum lebenslangen Sporttreiben zu animieren. Da sich aber nicht jeder aus den gleichen Gründen und von derselben Motivation angetrieben sportlich betätigt, bedarf es einer mehrperspektivischen Betrachtung.

Durch das Wort „Perspektive“ lässt sich schon einiges ableiten. Es geht darum, den Sport aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und so eine individuelle Sinnzuschreibung zu ermöglichen. Im Sportunterricht wird eine größere Gruppe von Kindern und Jugendlichen unterrichtet, die ganz unterschiedliche Interessen, Vorlieben und Voraussetzungen haben. Deshalb kann es nicht funktionieren, alle aus dem gleichen Grund für Bewegung zu begeistern.

Genau dafür stehen nun die sechs Perspektiven nach Dietrich Kurz (2000) zur Verfügung. So kann Sport, Spiel und Bewegung unter folgenden Aspekten betrachtet und im Unterricht oder Training sportdidaktisch akzentuiert werden:

  • Wahrnehmungsfähigkeit verbessern, Bewegungserfahrungen erweitern
  • sich körperlich ausdrücken, Bewegung gestalten
  • Kooperieren, Wettkämpfen
  • Gesundheit, Wohlbefinden und Fitness fördern, Gesundheitsbewusstsein entwickeln
  • etwas wagen und verantworten
  • das Leisten erfahren, verstehen und einschätzen

 

Umsetzung im Sportunterricht

Einige Sportarten eignen sich besonders für die ein oder andere Perspektive. So steht bei der Leichtathletik eher das Leisten im Sinne von „höher, schneller, weiter“ im Vordergrund, bei Spielsportarten wie Basketball das Wettkämpfen oder beim Turnen das Gestalten. Diese traditionellen Sportarten können aber auch unter anderen Gesichtspunkten thematisiert werden. So könnte im Rahmen des Turnens beispielsweise eine menschliche Pyramide gebaut werden. Somit stünden sowohl die Perspektive des Wagens und Kooperierens im Vordergrund. Es kommt darauf an, sich selbst und seine eigenen Grenzen einschätzen, aber auch auf die Hilfestellung der Mitschüler:innen vertrauen zu können. Auch bei der klassischen Leichtathletik ließe sich z.B. die Wahrnehmungsfähigkeit betonen, indem man die Lernenden erst barfuß und dann mit Turnschuhen rennen lässt und den gespürten Unterschied im Anschluss reflektiert. Reflexion wird so zum unmittelbareren Bestandteil des modernen Sportunterrichts.

Für den Sportunterricht bedeutet die Mehrperspektivität also, dass Inhalte auf verschiedene Art und Weise zum Thema gemacht werden können. In vielen Lehrplänen gehört Mehrperspektivität bereits zu den Lehr- und Lerninhalten.

Zusammenfassend bietet die Mehrperspektivität eine Möglichkeit, dass jeder dem Sporttreiben einen Sinn geben kann. So lässt sich Motivation fürs lebenslange Sporttreiben aufbauen. Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, eigenverantwortlich zu handeln, aber auch andere Perspektiven einzunehmen und zu akzeptieren.

 

 

Quelle: Kurz, D. Pädagogische Perspektiven für den Schulsport, in: Körpererziehung 50/2000, Vol. 50 (2), Gerlingen 2000, S. 38 f.

Fotos: Andy Astfalck

Schreibe einen Kommentar