Sportliche Leistungsfähigkeit wird in erster Linie mit hartem Training und intensiven Einheiten assoziiert. Aber auch die Regenerationsphasen tragen maßgeblich zur Steigerung von Belastungsfähigkeit und Leistungsentwicklung bei. Eine optimale Regeneration gewinnt vor dem Hintergrund steigender Anforderungen im Leistungssport sowie einem vollgepackten Alltag vieler Hobbysportler an Bedeutung, wenn mehr Performance nicht durch noch mehr Training erreicht werden kann. Eine Methode, die zu einer schnelleren und besseren Regeneration beitragen soll, sind Kälteanwendungen. Eistonnen und das Baden im eiskalten See oder Schnee kommen seit Jahrzehnten zum Einsatz. Aber auch Kältekammern, die mit mehr als 100 Grad minus arbeiten, werden von immer mehr Hobby- und Profisportlern regelmäßig besucht. Alles Marketing oder sinnvolle Maßnahme?
Physiologische Auswirkungen von Kälteanwendungen
Die äußerliche Einwirkung von Kälte wirkt sich teilweise massiv auf den Körper aus. Das periphere Nervensystem nimmt den Kältereiz über die Nervenenden auf, registriert diesen in Form von elektrischen Impulsen und leitet diese über das Rückenmark an das Gehirn weiter. Dort wird die Information ausgewertet und weiter verarbeitet, woraufhin körperliche Reaktionen initiiert werden (3).
Es lassen sich Reaktionen auf hormoneller und immunologischer Ebene, auf das Herz-Kreislauf-System sowie die Psyche verzeichnen. Ein Kältereiz sorgt zunächst dafür, dass bestimmte Hormone wie Noradrenalin und Adrenalin ausgeschüttet werden, die zum Beispiel bei der Reduktion von Schmerzen beteiligt sind (5). Außerdem wird durch die Freisetzung des Hormons TSH die Produktion von Schilddrüsenhormonen angeregt. Diese bewirken eine erhöhte Stoffwechselaktivität und sorgen so für mehr Energieumsatz. Sprichwörtlich kurbelt Kälte also den Stoffwechsel an, was sich positiv auf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sowie eine erwünschte Gewichtsreduktion auswirken kann. Physiotherapeut und Kälteexperte Matthias Passarge spricht in diesem Zusammenhang von einem sogenannten „Wach-Effekt“. Ein Kältereiz wirkt außerdem abhärtend und provoziert eine Reaktion des Immunsystems bzw. verbessert die immunologischen Parameter im Blut (vgl. z.B. 2, 4), was ein allgemein gestärktes Immunsystem begünstigt. Hinzu kommen positive Effekte auf das Herz-Kreislauf-System, da sich Gefäße durch die Einwirkung von Kälte zunächst verengen und danach wieder weiten. Die Blutzirkulation verbessert sich, wodurch der Körper optimal mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Ein weiterer Vorteil besteht in der Verbesserung des subjektiven Wohlempfindens. Kälteeinwirkung macht wach, frisch und steigert das Aktivitätslevel.
Gesundheitsexperte Passarge betont, dass es vielerlei positive Effekte gäbe, die sich grundsätzlich auf das gezielte Einwirken von Kälte zurückführen ließen. Aus seiner Sicht sei Kältetherapie ein geeignetes Tool, um die Regeneration und somit Leistungsfähigkeit von Hobby- und Profisportlern zu optimieren.
Kälteanwendungen im Vergleich
Ein externer Kältereiz lässt sich auf die unterschiedlichste Art und Weise realisieren: vom Eisbaden über kalte Duschen bis hin zur Kältekammer ist alles denkbar. Die einzelnen Methoden bringen Vor- und Nachteile mit sich, wirken sich aber insgesamt ähnlich auf den menschlichen Organismus aus. Es lassen sich zunächst feuchte von trockenen Kälteanwendungen sowie punktuelle von ganzkörperlichen unterscheiden.
Einfache und kostengünstige Möglichkeiten stellen das Eisbaden im kalten See oder Schnee sowie kalte Duschen am Morgen dar. Diese feuchten Kälteanwendungen lassen sich ohne großen Aufwand umsetzen und problemlos in jeden Alltag integrieren. Ein weiterer Vorteil besteht darin, den Kältereiz nur punktuell wirken zu lassen. Auch das Laufen im Schnee mit nackten Füßen oder das kalte Abduschen der Schienbeine bewirken einen gesundheitsfördernden Effekt auf den Körper. Allerdings fühlt sich nasse Kälte eher unangenehm an und dringt sprichwörtlich bis auf die Knochen vor. Obwohl die Temperaturen nicht ganz so niedrig sind, hält man es zum Beispiel nur schwer für mehrere Minuten in einem eiskalten See aus. Möchte man diese Form der Kältetherapie regelmäßig anwenden, empfiehlt sich eine kontinuierliche Steigerung der Dauer. So kann eine kalte Dusche beispielsweise zunächst für zehn Sekunden durchgeführt und nach und nach bis hin zu drei oder sogar fünf Minuten gesteigert werden.
Die Kryotherapie in einer Kältekammer stellt eine besondere Methode der trockenen Kälteanwendung dar. Professionelle Anbieter arbeiten in der Regel mit stickstoffbasierten Tonnen, in denen zwischen -110 und -180 Grad kalte, trockene Luft erzeugt wird. Der Sportler oder Patient begibt sich dann für eine bis drei Minuten in die offene Tonne, sodass der Kopf frei bleibt. Matthias Passarge erklärt, dass vor der Kälteanwendung ein Check-Up erfolge, um mögliche Kontraindikatoren wie akute Herz-Kreislauf-Erkrankungen, arterielle Gefäßstörungen oder offene Wunden auszuschließen. Das Herz-Kreislauf-System sollte keine gravierenden Störungen aufweisen, da sich die extreme Kälte massiv auf dieses auswirke. Während der Kryotherapie halte ein Therapeut die gesamte Zeit Blickkontakt und bleibe mit dem Kunden im Gespräch, um die Behandlung gegebenenfalls abzubrechen. Eine solche Kältetherapie könne sich vor allem für Menschen mit chronischen Schmerzen, rheumatischen Erkrankungen oder Neurodermitis aufgrund der oben beschriebenen Effekte auf entzündliche Prozesse lohnen. Patienten berichten von erträglicheren Schmerzattacken, einer Senkung des subjektiven Schmerzempfindens oder dem kurzzeitigen Verschwinden der Probleme. Aber auch Sportler können von der Therapie in der Kältekammer profitieren.
Was Kälteanwendungen wirklich bringen
Unter Regeneration sind im Allgemeinen Prozesse zu verstehen, die zur Wiederherstellung eines physiologischen Gleichgewichtszustands führen und in Bezug zu einer vorausgehenden Belastung stehen. Regeneration lässt sich mit anderen Worten als Umkehrung einer trainingsbedingten Ermüdung sehen (7). Zahlreiche Studien befassen sich mit der regenerationsfördernden Wirkung von Kältetherapien – egal ob es sich dabei um die Wechseldusche, das Eisbaden oder die Whole-Body-Cryotherapie (WBC) handelt. Zugegebenermaßen sind die Ergebnisse jedoch nicht eindeutig, obwohl die Anwendung von Kälte seit vielen Jahren und ohne sie zu hinterfragen praktiziert wird. Durch sportliche Belastungen werden Mikrotraumata auf zellulärer Ebene verursacht, die in der Regenerationsphase wieder heilen. Banfi et al. konnten zeigen, dass sich die Erholung von durch körperliche Betätigung verursachten Muskelverletzungen durch WBC verbessert (1). In einer anderen Studie von Stanek et al. wurde eine Verminderung des oxidativen Stress bei einer gleichzeitigen Steigerung der antioxidativen Kapazität durch die Ganzkörper-Kryotherapie im Vergleich zu einer Kontrollgruppe nachgewiesen (8). In einem Review von Rose et al. konnte eine Reduktion von sportbedingten Muskelschmerzen in 80% der betrachteten Studien, eine Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit in immerhin zwei Studien, verringerte Entzündungsmarker sowie weniger Muskelzellschäden subsummiert werden (6).
Nichts desto trotz ist die Studienlage nicht eindeutig, denn in anderen Forschungsarbeiten können keine signifikant positiven Effekte auf die Regeneration nach sportlicher Belastung durch Kältetherapie nachgewiesen werden. Zukünftig sollte die Therapieform also weiterhin durch Experimente und Studien auf den Prüfstand gestellt werden. Unabhängig davon spricht Physiotherapeut Matthias Passarge von großen Erfolgen durch die Kryotherapie, denn die alltägliche Praxis mit Menschen könne nicht immer in Studien gepresst werden. Wenn sich Beschwerden von Patienten verbessern oder sich Sportler nach einem Besuch in der Kältekammer subjektiv frischer und schneller erholt fühlen, legitimieren diese echten Benefits die Behandlung mit Kälte allemal. Statt ausschließlich auf zweifelsfreie Evidence Based Medicine zu setzen, appelliert Passarge, die Kältetherapie schlichtweg auszuprobieren und dann einzuschätzen, ob dadurch eine individuelle Leistungsoptimierung zu erreichen ist. Für ihn steht der einzelne Mensch im Vordergrund, der mit einem Problem oder Anliegen nach einer Lösung sucht. 90% seiner Kunden würden die Kältekammer regelmäßig nutzen, wenn sie sie erst einmal probiert haben. Prinzipiell sei Kälte für jeden interessant. Sowohl Schmerzpatienten und Sportler als auch „gestresste Allltagshelden“ können von den vielen, regenerationsfördernden Prozessen wie einem gestärkten Immunsystem, der erhöhten Stoffwechselrate oder verbessertem Schlaf profitieren.
Quellen:
(1) Banfi, Giuseppe et al. (2009): Effects of whole-body cryotherapy on serum mediators of inflammation and serum muscle enzymes in athletes. In: Journal of Thermal Biology 34/02, 55-59.
(2) Brenke, Rainer (2020): Stärkung der immunologischen Abwehr durch Kneipp’sche Hydrotherapie und Sauna. In: Erfahrungsheilkunde 69/04, 208-216.
(3) Güllich, Arne & Krüger, Michael (Hrsg.) (2013): Sport. Das Lehrbuch für das Sportstudium. Berlin, Heidelberg: Springer.
(4) Hassan, Emad et al. (2003): Kalt- und Warmwasseranwendung als unterstützende Maßnahmen zur Regeneration. Konsequenzen für die immunologische und zelluläre Akutreaktion nach standardisierter körperlicher Belastung bei Leistungssportlern. In: BISp-Jahrbuch 2003, 163-168.
(5) Patel, Karan MD et al. (2019): Whole-Body Cryotherapie in Sports Medicine. In: Current Sports Medicine Reports 18/04, 136-140.
(6) Rose, Catriona et al. (2017): Whole-body Cryotherapy as a Recovery Technique after Exercise. A Review of the Literature. In: International Journal of Sports Medicine 38/14, 1049-1060.
(7) Schurr, Stefan (2012): Regeneration für Sportler. Norderstedt: Books on Demand.
(8) Stanek, Agata et al. (2019): Decreased Lipid Profile and Oxidative Stress in Healthy Subjects Who Underwent Whole-Body Cryotherapy in Closed Cryochamber with Subsequent Kinesiotherapy. https://www.hindawi.com/journals/omcl/2019/7524878/ (03.05.2021).
Elisa Dambeck